Wie geht es mit virtuellen Meetings weiter?
Thomas Kalman im Interview
Das Interview ist im Archiv des Badewesens 07/2021 erschienen.
Sie sind einen spannenden neuen Weg für virtuelle Besprechungen gegangen.
Wie kam es dazu?
Die richtige Präsentation unserer Planungsergebnisse ist schon immer eine wichtige Aufgabe für uns. Als Generalplaner für kommunale Sport- und Bäderanlagen versuchen wir, unsere Bauherrenvertreter, aber auch deren politische Gremien, ihr kommunales Großprojekt so transparent wie möglich darzustellen.
Konsequenterweise beschäftigen wir uns seit einigen Jahren mit VR-Technologien. Mit VR-Brillen lassen sich gerenderte 3D-Visualisierungen inzwischen ja auf eindrucksvolle Weise erlebbar machen. Die Technik konnten wir bereits in einigen Projekten einsetzen, zuletzt im Bauvorhaben Silvretta Therme in Ischgl. Diese Präsentationsform hat aber ihre Grenzen. Man benötigt eine VR-Brille und diejenigen, die sie aufsetzen, wirken immer isoliert. Zusätzlich sind wir an unsere Planungssoftware (Allplan) gebunden, um den Status der Planung oder aufbereitete Räume zeigen zu können.
Mit dem neuen webbasierten VR-Interaktionsraum lassen sich diese Hindernisse spektakulär auflösen. Für die Entwicklung der digitalen Plattform im letzten Jahr kamen dann mehrere Faktoren zusammen. Unser Digitalpartner COMKOM° sprach uns an, ob wir gemeinsam eine neue Technologie austesten wollen.
Wir vertrauen uns seit fast 25 Jahren. Sie hatten schon damals 360° Panorama Rundgänge durch Bäder für uns produziert. Mit Covid hatten wir uns ausserdem an remote Präsentation gewöhnt, aber auch deren Schwächen kennen gelernt. Letztlich gab es mit Mittelstand Innovativ & Digital eine Förderinitiative, die uns erlaubte, das Investitionsrisiko etwas abzufedern.
Wie funktioniert der VR-Raum und was ist das Besondere daran?
Der neue VR-Interaktionsraum kann über alle Browser und jedes neuere digitale Geräte besucht werden, ohne dass Software heruntergeladen werden muss. Das ist schon mal ein enormer Vorteil. Man folgt einem Link und kann den virtuellen KRIEGER Raum betreten. Mit eigenem Kamerabild und Ton.
Wirklich außergewöhnlich ist, dass man sich stufenlos wie in einer Gaming Umgebung bewegt. Es gibt keine vorgegebenen Punkte, zu denen man springen muss. Man hat auch keine VR-Brille auf der Nase, die bei Unterhaltungen extrem stört und jede Emotion verdeckt. Die Darstellungsqualität ist außerdem erstaunlich realistisch. Für diejenigen, die bisher nie "gezockt" haben – und das sind ja zumindest in unserer Generation erstaunlich viele – braucht es ein paar Sekunden, um die Steuerung verstanden zu haben. Dann aber macht es richtig Spaß, durch die Räume zu flitzen.
Dadurch haben wir jetzt einen virtuellen KRIEGER Showroom, mit unterschiedlichen Funktionen und Raumtypen. Dort können wir Workshops abhalten, an mehreren Wänden gleichzeitig unsere Bildschirme teilen oder im Speaker Modus eine Präsentation halten.
Welchen Bedarf sehen Sie durch den virtuellen Showroom gedeckt?
Im Vordergrund stehen bei uns natürlich Planungsdaten und -visualisierungen, die wir eigentlich ständig und in viele Richtungen abstimmen müssen und wollen. Daher war es uns besonders wichtig, ohne große Umwege unsere BIM-basierten Planungsdaten in die Applikation übertragen zu können.
Wir haben jetzt also die Möglichkeit, Modelle in den KRIEGER Raum zu laden und dort sozusagen in den Showroom zu stellen. Das kann der komplette Gebäudekomplex aus Ischgl sein oder die extrahierte Darstellung der Badewasseraufbereitung unseres Partnerunternehmens DTF Ingenieure.
Das besondere nun ist, dass wir mit Bauherren, Projektsteuerern oder Fachplanern in den jeweiligen Stand des Modells eintauchen können. Dadurch finden die ersten Projektgespräche schon in dem Bauobjekt statt, obwohl es noch gar nicht gebaut ist. Wir sind davon überzeugt, dass wir und die Bauherren dadurch schon ein Gefühl für Gebäude, Licht und Raumdimensionen bekommen können, die uns ungewollte Überraschungen im spätere Projektverlauf ersparen.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung?
Das ist schon eine extrem spannende Web-Technologie, die da eingesetzt wird. Die Tatsache, dass in Echtzeit alle Daten von den individuellen Rechnern der Nutzer berechnet werden, erfordert aber ziemlich kleine Dateien. Unsere Planungsdaten sind dagegen recht groß. Wir haben zusätzlich einen hohen Anspruch an Texturen, Licht, Spiegelung usw. Daher war es uns im ersten Schritt wichtig, eine gute Balance zwischen visueller Qualität und Performance der Applikation zu finden.
Da gibt es in so einem Entwicklungsprozess immer mal echte Schritte nach vorne und auch einige gefühlte Rückschritte. Das ist aber in einem Digitalisierungsprozess gang und gäbe. Das Ergebnis, das wir schon jetzt sehen und nutzen, ist beeindruckend. Nun müssen wir herausfinden, wie wir diese Gestaltungsmöglichkeiten gut für uns interpretieren. Schließlich ist unser Kerngeschäft die Planung und deren Umsetzung. Daher war es uns auch wichtig, dass wir die Modelle 1:1 übernehmen können und nicht noch zusätzlichen Aufwand für die Integration in den virtuellen Showroom haben.
Was sind die Vorteile gegenüber den inzwischen etablierten Tools?
Die etablierten Kommunikationstools wie Teams oder Zoom sind sicherlich für den täglichen Austausch erprobt und nicht mehr wegzudenken. Aber wir haben alle erkannt, dass uns in den Tools das Räumliche fehlt. Wir sind dort immer zweidimensional unterwegs. Die Kraft des Raumes ist für uns Architekten aber naturgemäß essentiell. Das fehlt uns.
Nun die Chance zu haben, remote und Raum miteinander zu verknüpfen, empfinden wir als wichtigen nächsten Schritt. Die Förderzusage aus Jülich gibt uns da auch recht. Gerade der individuelle Dialog und der zwischenmenschliche Austausch ist im virtuellen KRIEGER Raum auch online wieder möglich.
Es ist nicht eine Person, die spricht, und alle müssen auf stumm schalten. Vielmehr hören sich die Teilnehmer, wenn sie im VR-Raum in ihrer Nähe sind, auf Entfernung wird ihr Ton leise. Wie im richtigen Leben. So können bei einer virtuellen Begehung auch informelle Gespräche zeitgleich und zwischen kleineren Teilnehmergruppen entstehen.
Geht die Entwicklung weiter?
Wir werden verschiedene Use Cases austesten und in Funktionen übersetzen. Mit dem virtuellen Showroom sind uns konzeptionell eigentlich keine Grenzen gesetzt und die wollen wir mit COMKOM° gemeinsam ausdehnen. Wir können uns z.B. auch vorstellen, dass finale und abgenommene Planungsstände für die Bürger:innen einer Stadt oder Gemeinde zugänglich gemacht werden. Das ist im Sinne von Bürgerbeteiligung und Transparenz eine wunderbare Kommunikationsplattform.
Presse
Ein Interview zum Zwischenraum ist im Archiv des Badewesens 07/2021 erschienen.
Interviewpartner
Thomas Kalman ist Architekt und Geschäftsführer bei KRIEGER Architkten . Ingenieure. Er ist dort unter anderem verantwortlich für die Digitalisierungsstrategie des Architektur- und Ingenieurbüros. Neben der BIM-Integration sind es vor allem die VR- und AR-Anwendungen, die das Unternehmen für die Optimierung eigener Prozesse interessieren.
Förderung
Das Digitalisierungsprojekt wurde durch Mittelstand.Innovativ gefördert.